Was wäre ein Museum ohne seine Sammlung? Im Fokus der Öffentlichkeit stehen häufig nur die großen Sonderschauen und repräsentativen Ausstellungssäle. Dabei lagern zwischen 40 und 90% der Bestände verborgen in Kellern und Depots.
Die Ausstellungstätigkeit ist nur eine Kernaufgabe der öffentlichen Museen. Gleichwertig zählen das Sammeln, Erforschen und Bewahren wertvoller Kulturgüter zu ihrer Mission. Die Optimierung der Lagerbedingungen, wissenschaftliche Untersuchungen sowie dringende Konservierungs- und Restaurierungsvorhaben bleiben oftmals auf der Strecke. In der Regel fehlen den Einrichtungen die personellen und finanziellen Mittel, um diesen Aufgaben gerecht zu werden.
Die prekäre Lage, in der sich viele öffentliche Sammlungen befinden, rief 2014 KUNST AUF LAGER auf den Plan: Die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG und die Kulturstiftung der Länder hatten kurz zuvor die Initiative zur Gründung eines „Bündnisses zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots“ ergriffen und stießen bei anderen kulturfördernden Einrichtungen auf offene Ohren. Für einen Zeitraum von fünf Jahren schlossen sich vierzehn Bündnispartner zusammen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die die drängenden und zukunftsweisenden Herausforderungen des Kulturerhalts zu lenken. Durch gezielte Förderungen trug die Initiative zur Erschließung, Erforschung und Sicherung ausgewählter Werke und Objekte bei. Zu den Fördernehmern zählten Kunstmuseen ebenso wie Heimat- und volkskundliche, naturwissenschaftliche und technische Museen.
Hintergrund
Große und kleine natur- und menschengemachte Katastrophen gefährden immer wieder die Bestände in den Museumsdepots, wie in den letzten Jahren der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln, der Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar oder die regelmäßigen Hochwasser von Elbe und Oder zeigten. Und nicht zu vergessen: der Faktor Zeit, der an den unterschiedlichen Materialien nagt und die Experten vor neue Herausforderungen stellt. Dabei geht es auch um Exponate der jüngsten Vergangenheit, denn gerade die neuen Medien Film und Fotografie oder Kunststoffe sind nicht selten eher vom Verfall bedroht als jahrhundertealte Skulpturen.
Ein Depot muss vieles leisten. Optimale Lagerbedingungen für heterogene Sammlungsbestände, klimatische Standards bezüglich Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Schutz vor Licht und Erschütterung, Dekontamination oder auch die Sicherheit der Gebäude sind alltägliche, aber selten in der Öffentlichkeit bedachte Aspekte des Kulturgüterschutzes.
Ist die Bewahrung gewährleistet, kann das Erschließen und Erforschen beginnen. Viele Museen können nicht allen Schätzen, die sie beherbergen, gerecht werden. Den kontinuierlich – auch durch Stiftungen und Nachlässe – gewachsenen Sammlungen stehen zu wenig Personal und finanzielle Mittel, mangelnde Räumlichkeiten sowie der Alltag mit Sonderausstellungen und zu restaurierenden Leihgaben gegenüber. Aber erst die wissenschaftliche Erschließung definiert die Sammlung auch qualitativ und ermöglicht eine thematische Einarbeitung in Ausstellungen bzw. die Bereitstellung von Beständen zur weiteren Erforschung. Das Bündnis KUNST AUF LAGER leistete mit den unterschiedlichen Förderangeboten der beteiligten Institutionen hier kurz- und langfristig Unterstützung.
Informieren
KUNST AUF LAGER sprach nicht nur das Fachpublikum, sondern auch die breite Öffentlichkeit an. Die Informationskampagne zielte auf die Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft für die Erhaltung und Erforschung von Depotbeständen öffentlicher Sammlungen, deren Wert für die Identität von Museen und ihre Bedeutung für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis.
Ein Ziel war es, den intensiven Diskurs zwischen Experten und den Sammlungen, aber auch in der interessierten Öffentlichkeit anzuregen. Der gesellschaftliche Wert von Kulturgütern in öffentlichen Sammlungen ist immens. Es zählt zum Auftrag der Museen, diese für die künftigen Generationen zu bewahren und die gesammelte kulturelle Geschichte und ihre Wandlungen zu erforschen.
KUNST AUF LAGER warb für mehr Anerkennung und Verständnis für diese Aufgabe, die die Basis für eine qualitative Ausstellungs- und Vermittlungsarbeit der Museen ist. Nach wie vor ist auch die Kulturpolitik gefordert, den Förderfokus nicht nur auf prestigeträchtige Sonderausstellungen zu richten, sondern ebenso Investitionen in die weniger populären Museumsleistungen als gesellschaftlich relevant anzusehen.
Fördern
Die vierzehn Partner des Bündnisses KUNST AUF LAGER förderten im Rahmen ihrer individuellen Schwerpunkte u. a. die Arbeit mit Museumssammlungen. Die Initiative ermutigte die verantwortlichen Mitarbeiter der Museen, notwendige Fördervorhaben zu formulieren, und brachte sie mit den passenden Bündnispartnern in Kontakt. Die Projektförderungen betrafen folgende Bereiche:
Erschließung & Erforschung
Einzelne Bündnispartner unterstützten Museen bei der Inventarisierung, wissenschaftlichen Bearbeitung und Dokumentation ihrer Sammlungen. Dazu zählten auch die Digitalisierung und Online- Präsentation von Beständen und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Hier engagierten sich vor allem die wissenschaftsfördernden Partner: Gerda Henkel Stiftung, VolkswagenStiftung, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Ernst von Siemens Kunststiftung förderte den Druck bzw. die Onlinestellung von Bestandskatalogen. Mit 51%, also 190 von insgesamt 333 Förderprojekten, stand dieser Förderbereich an erster Stelle.
Konservierung & Restaurierung
In diesem Bereich wurden 143 Projekte und somit 38,5 % aller Fördervorhaben unterstützt. Mehrere Institutionen finanzierten raumklimatische Analysen in Depots, präventive Konservierungsmaßnahmen und Restaurierungen. Ausgewählte Werke aus den Magazinen wurden restauratorisch gesichert und gegebenenfalls in Ausstellungen (re)integriert. Die Ernst von Siemens Kunststiftung, Kulturstiftung der Länder, Rudolf-August Oetker-Stiftung und HERMANN REEMTSMA STIFTUNG setzten dabei auf überregionale Projekte der Bildenden Kunst und Kulturgeschichte, die Wüstenrot Stiftung besonders auf Projekte der Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart. Mit regionalen Schwerpunkten förderten der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Richard Borek Stiftung, die Stiftung Niedersachsen, die VGH-Stiftung und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
Infrastruktur & Logistik
Mit 40 Projekten und 10,5% der Förderungen stellte dieser Bereich ebenfalls einen wichtigen Schwerpunkt der Bündnisarbeit dar. Zur besseren Lagerung von Sammlungsbeständen in den Depots unterstützten einzelne Partner die bauliche Modernisierung und den Neubau von Depots, die Anschaffung neuer Lagersysteme, die Erarbeitung effektiverer Depotstrukturen oder die Optimierung von Logistik- und Energiekonzepten. Ebenso wurde das Konzept des „Schaudepots“ gefördert. Hier engagierten sich besonders die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG, die Wüstenrot Stiftung und die Stiftung Niedersachsen.
Ergebnisse
Förderungen
Von 2014 bis 2018 investierten die öffentlichen und privaten Stiftungen 26 Mio. Euro in 292 Fördervorhaben. Zusätzlich vergab das Bundesministerium für Bildung und Forschung über 30 Mio. Euro an 41 Forschungsprojekte, die den Zielen von KUNST AUF LAGER entsprachen. Sechs Förderbilanzen geben im Detail Auskunft über die unterstützen Projekte. Eine Auswahl an Förderbeispielen werden hier und in der Dokumentation vorgestellt.
Öffentliche Sichtbarkeit
Fünf Jahre lang begleitete die Presse die Förderaktivitäten mit einer intensiven Berichterstattung, wovon ein eigene Gesprächsreihe im Deutschlandfunk nur ein Beispiel ist. 45 Projekte stellten ihre Ergebnisse durch Digitalisierungsprojekte und Online-Datenbanken öffentlich zur Verfügung und 56 Projekte machten ihre Resultate in Publikationen bekannt. 158 Projekte, und damit fast 50%, präsentierten die wiedergewonnenen Schätze in Sonder- oder Dauerausstellungen und in 22 Tagungen wurden Forschungsergebnisse diskutiert. Ein Höhepunkt war im September 2017 eine große KUNST AUF LAGER-Tagung, die die VolkswagenStiftung für 260 Teilnehmer in Hannover ausrichtete.
Fazit
Die Thematik von KUNST AUF LAGER bleibt auch nach der Auflösung des Bündnisses akut. Kulturpolitik, Träger und Museen, zu deren Pflichtaufgaben der Erhalt der ihnen anvertrauten Schätze gehört, sollen sich nicht an die umfangreichen und regelmäßigen Drittmittel für ihre Depots „gewöhnen“. Die für begrenzte Zeit agierende Initiative KUNST AUF LAGER will die Träger motivieren, mehr verlässliche Mittel für den Bestandserhalt und die Erschließung in Museen bereitzustellen. Dann werden die Förderer auch weiterhin Partner sein – aber künftig nur im Austausch mit kompetenten, festangestellten Restauratoren, bei Einsatz von Eigenmitteln der Einrichtungen und bei professioneller Sammlungsverwaltung. Auch ohne gemeinsame Dachmarke sind die Förderer weiter im Dienste der Kunst aktiv. Über künftige Förderperspektiven informieren die einzelnen Partnerprofile.