Bilderbuch der Menschheitsgeschichte

Kopien prähistorischer Felsbilder im Frobenius-Institut

Schon um die Jahrhundertwende war der bekannteste deutsche Ethnologe seiner Zeit, Leo Frobenius (1873-1938), vom hohen Alter prähistorischer Felskunst überzeugt und betrachtete dieses „Bilderbuch der Menschheitsgeschichte“ als eine wichtige Quelle für seine weltweiten und alle Epochen umfassenden kulturgeschichtlichen Rekonstruktionen. Frobenius war alles andere als ein stiller Stubengelehrter, vielmehr sammelten er und seine Mitarbeiter ab 1904 auf zahlreichen abenteuerlichen Expeditionen, hauptsächlich nach Afrika, eine große Zahl ethnographischer und kulturgeschichtlicher Belege.

 

Seine erste, den Felsbildern Afrikas gewidmete Expedition führte ihn kurz vor dem Ersten Weltkrieg in den nordafrikanischen Sahara-Atlas. Spätere Reisen gingen in die nubische Wüste, in die Zentralsahara sowie ins südliche Afrika. Die prähistorischen Motive wurden von den mitreisenden Malern und Malerinnen – meist junge Frauen, die an Kunstakademien studiert hatten, aber auch von etablierten Künstlern – unter schwierigsten Bedingungen in Originalgröße auf Papier oder Leinwand kopiert. Dieser Fundus wurde als sogenannte „Vorgeschichtliche Bildergalerie“ in einer eigenen Abteilung des Frankfurter Forschungsinstituts für Kulturmorphologie – heute Frobenius-Institut – zusammengefasst und war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Gegenstand einer regen Ausstellungstätigkeit. In zahlreichen deutschen Städten wurden die Werke präsentiert, u. a. im Berliner Reichstag, sowie in den europäischen Metropolen. Im Jahre 1937 folgte eine Tournee durch 32 US-amerikanische Städte, eingeleitet von einer gefeierten Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art.

Als Dokumentation prähistorischer Kunst verlor die Sammlung ab den 1960er Jahren zunehmend an Bedeutung und wurde über längere Zeiträume unsachgemäß gelagert. Die Farbfotografie bot originalgetreuere Möglichkeiten, und das Kopieren von Felskunst galt wegen der unvermeidlichen künstlerischen Freiheit der Kopisten fortan als technologische Sackgasse. Erst in jüngerer Zeit wird die Sammlung unter ganz neuen Vorzeichen wiederentdeckt. Zum einen handelt es sich vielfach um die früheste und umfangreichste Dokumentation afrikanischer und australischer Felskunst, die heute vielfach den Status eines Weltkulturerbes hat. Zum anderen rückt zunehmend die spannende Wirkungsgeschichte der Felsbildkopien ins Blickfeld, die wesentlich mit der bemerkenswerten Ausstellungsgeschichte in den 1930er Jahren zusammenhängt.

 

Was haben diese bis dato ungesehenen Bilder aus fernen afrikanischen Wüsten und verborgenen Höhlen, die nun zu ersten Mal in Farbe und in Originalgrößen einem breiten Metropolen-Publikum enthüllt wurden, bei den zeitgenössischen Künstlern bewirkt? Von vielen Protagonisten der modernen Malerei (Willi Baumeister, Ernst-Ludwig Kirchner, Willem de Kooning, Henry Moore, Pablo Picasso, Jackson Pollock etc.) ist bekannt, dass sie die Felsbild-Ausstellungen besucht haben und/oder Frobenius‘ Bildbände im Bücherregal stehen hatten. Erst eine sorgfältige Konservierung und Restaurierung ermöglichte eine spektakuläre Ausstellung der Felsbilderkopien im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Beteiligte Institutionen